Autor*in

Manja Liehr

veröffentlicht am

13.04.2025

Am 10. Mai 2025 versammeln wir uns …

Am 10. Mai 2025 versammeln wir uns als Hunderttausendmütter vor dem Brandenburger Tor, um ein deutliches Zeichen zu setzen: für Sichtbarkeit, für Gerechtigkeit und vor allem für das Ende der politischen Unsichtbarkeit von Müttern, Töchtern und Großmüttern.
Ob migrantisch, queer, Schwarz, behindert, ob FLINTA*-Personen mit Care-Verantwortung, working-class Moms, Alleinerziehende, Wahlmütter, leibliche oder emotionale – wir alle zählen, weil uns mehr verbindet als uns trennt: die systemrelevante, aber systematisch ignorierte Care-Arbeit, der Ausverkauf von Bildung, Zeit und Selbstbestimmung, der Raubbau an weiblicher Autonomie unter dem Deckmantel von Normalität.
Prof.in Dr. h.c. Jutta Allmendinger hat es deutlich gemacht: Wir erleben eine Re-Traditionalisierung von Geschlechterrollen – nicht erst seit der Pandemie, sondern als dauerhaftes politisches Versäumnis.

Und weil Selbstbestimmung keine nationale Frage ist, sondern ein weltweiter Kampf, bringt ihn die Künstlerin Faravaz Farvardin mit jeder Note ihrer Stimme auf die Bühne – ihre Stimme, einst im iranischen Untergrund verboten, wird am Brandenburger Tor für alle hörbar sein.

Dass Mütter mit Migrationsgeschichte immer dann als „nicht integrationsfähig“ gelten, wenn sie als „nicht leistungsfähig“ eingeschätzt werden, ist kein Zufall – sondern politisch gewollt. Es spielt keine Rolle, wie viele Jahrzehnte sie dieses Land mitgetragen, gepflegt, gestützt haben. In einem System, das den Menschen nach seiner Erwerbsfähigkeit bewertet, verliert Fürsorge ihren gesellschaftlichen Wert. Zeit bleibt ein Luxus – aber nur für jene, die sich Hilfe kaufen können. „Haushaltsnahe Dienstleistungen“ – ein Euphemismus für die kapitalistische Ausbeutung weiblicher Lebenszeit.
Mütter sind phönixgleich zu so vielem fähig – so wie Serpil Unvar. Selbst im mit Sicherheit stärksten Kampf ihres Lebens, nach dem Verlust ihres Sohnes Ferhat, hat sie aus der Asche ein Mahnmal erschaffen: die Bildungsinitiative, die seinen Namen trägt – für Gerechtigkeit, gegen Rassismus, für Gleichstellung aller Menschen durch Bildung.
Sie steht nicht nur ihre Frau – sie steht ihre Mutter.

An diesem Tag begeben wir uns auf eine programmatische Reise durch die Lebensphasen, die uns alle betreffen – und durch die Mütter uns begleiten: von der Geburt über die Kindheit, Jugend und das Erwachsenenleben bis ins Alter.

Mütter sind dabei oft unsichtbar, zu oft überlastet und überhört, und dennoch tragen sie – Tag für Tag – diese Gesellschaft: mit dem Kopf organisierend, mit den Händen pflegend, mit dem Herzen und Geist kämpfend für eine bessere Welt. Diese Phasen werden am 10. Mai hör- und sichtbar gemacht – in Reden, in Klängen, in Performances und Diskussionen.
Mit dabei sind Stimmen und Töne, die bewegen, erinnern, aufrütteln:
• Faravaz Farvardin – sie erhebt ihre Stimme, die im Iran verboten ist – am Brandenburger Tor wird sie für alle hörbar.
• Shereen Adam & Lavon – sie öffnen den Raum für eine neue, feministische Klangsprache. Mehr wird noch nicht verraten.
• Claude De Demo im Gespräch mit Prof.in Dr. h.c. Jutta Allmendinger – „Theater oder Realität?“: ein Bühnenmoment, inspiriert vom Stück Und alle so still von Mareike Fallwickl, in dem Kunst und Analyse, Gefühl und Systemkritik ineinander greifen.
• Serpil Unvar – als Stimme der Erinnerung und der Zukunft, als Mutter, Aktivistin, Mutmacherin.
Wir machen die strukturelle Krise in der Kinderbetreuung sichtbar.
Wir zerlegen das Märchen der Wahlfreiheit, wo es keine echten Optionen gibt.
Wir decken die Verlogenheit eines Systems auf, das Arbeitsmigration braucht, aber Menschen nach Jahrzehnten abschieben will – weil sie „nicht mehr leisten“.
Wir fordern Selbstbestimmung – im Paragraf 218, in der Bildung, in der Pflege. Als Menschenrecht.
Migration ist nicht die Mutter aller Probleme – es sind die gesellschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen, die Menschen zu Problemen machen, die Ungleichheit zementieren und Teilhabe verhindern.
Es sind Fragen, die uns alle angehen, und Perspektiven, die sich zu einem Bild verweben: Mutterschaft in all ihren Formen – als Biografie, als Verantwortung, als politischer Ort, als geteiltes Erbe und geteilte Zukunft.
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