Autor*in

Antje Krause

veröffentlicht am

Shab-e-Yalda – die längste Nacht, das kommende Licht

Shab-e-Yalda wird in Afghanistan als die längste Nacht des Jahres gefeiert – als Nacht der Gemeinschaft, der Hoffnung und der Poesie. Eine Nacht, in der Menschen zusammenkommen, erzählen, zuhören, sich erinnern und einander Halt geben, im Vertrauen darauf, dass nach der Dunkelheit wieder Licht kommt.

Diese Bedeutung berührt den Kern von #hunderttausendmuetter: das Sichtbarmachen von Fürsorge, von Verantwortung, von Leben, das unter widrigsten Bedingungen getragen wird – oft von Müttern, häufig im Verborgenen, fast immer unter struktureller Unsicherheit.

Der Afghanische Stammtisch Schleswig-Holstein nutzte Shab-e-Yalda, um sein vierjähriges Bestehen zu feiern und unter dem Motto „Afghanische feministische Stimmen“ zum gesellschaftlichen Dialog einzuladen. Ein Abend, der eindrücklich zeigte, wie eng Mutterschaft, Flucht, politische Gewalt und Überlebensstrategien miteinander verwoben sind.

In den Gesprächen von Hadia Armaghan, Hila Latifi, Farangis Sawgand und Trina Mansoor wurde Literatur und Poesie im Exil als Überlebensraum spürbar: als Ort, an dem Erfahrungen von Verlust, von Flucht und Entwurzelung in Sprache gefasst werden können. Literatur als Akt der Selbstbehauptung – und als Brücke zwischen Generationen und Lebenswelten.

Die Stimmen von Lava Mohammadi, Mehria Ashuftah, Eleha Hakim und Tamana Assad machten deutlich, was es bedeutet, Frau zu sein unter Bedingungen permanenter Bedrohung. Berichte aus Kabul und Pakistan erzählten von traumatisierten Kindern, von Müttern, die Verantwortung tragen, obwohl ihnen jede Sicherheit entzogen ist, und von Vätern, die erleben müssen, dass sie ihre Familien nicht schützen können.

Diese Erfahrungen verweisen auf eine strukturelle Dimension von Müttergesundheit: auf Ohnmacht, auf politische Entscheidungen, die Leben gefährden, und auf die langfristigen seelischen Folgen für Familien. Sie werfen die drängende Frage auf, wie es sein kann, dass Deutschland Menschenrechtsverletzungen benennt – und zugleich ein Taliban-Regime faktisch legitimiert. Dass Menschen, die für oder mit deutschen Institutionen gearbeitet haben, im Stich gelassen wurden. Eine politische Scham, die nicht abstrakt ist, sondern sich konkret in den Körpern, Biografien und Zukunftsaussichten von Müttern und Kindern einschreibt.

Für uns ist klar: Mütter sind kein Randthema internationaler Politik. Ihre Erfahrungen sind ein Seismograf für gesellschaftliche Gewalt, für Versagen von Schutzsystemen und für die Dringlichkeit feministischer, menschenrechtsbasierter Politik.

Gleichzeitig wurde an diesem Abend spürbar, was trägt: Zusammenhalt in der Diaspora, Solidarität, feministische Netzwerke, generationsübergreifende und transnationale Kommunikation. Räume, in denen Mütter nicht nur als Betroffene erscheinen, sondern als politische Akteurinnen, als Erzählerinnen, als Gestalterinnen von Zukunft.

Shab-e-Yalda erinnert uns daran, warum wir diese Kampagne tragen:
Die Nacht kann lang sein. Für viele Mütter ist sie es schon lange.
Aber im gemeinsamen Erzählen, im Sichtbarmachen und im solidarischen und politischen Handeln liegt die Hoffnung auf das kommende Licht.

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