Autor*in

Manja Liehr

veröffentlicht am

21.04.2025

Mutter oder Mutter*? Wir sollten nicht darüber streiten, wer Mütter sind, sondern fragen, was sie brauchen!

„Ich engagiere mich für Mütter und Menschen, die Fürsorgearbeit leisten!“ So beschreibe ich normalerweise mein gesellschaftliches Engagement. Und bekam kürzlich die Frage gestellt, wen ich mit „Müttern“ überhaupt meine.

In Köln, wo ich rund zwanzig Jahre lang gelebt habe, oder auch in anderen Großstädten, steht hinter dieser Frage gegebenenfalls etwas anderes als in der Kleinstadt, in der ich seit rund drei Jahren lebe. Ist meine Vorstellung von Frau- und Muttersein „inklusiv“ genug, fragen mich Akademiker:innen und Frauen, die sich seit langem aus soziologischer Sicht mit Mutterschaft und der Mutterrolle befassen. Bedenke ich, dass nicht jede Mutter leibliche Mutter ist? Es gibt soziale Mütter, die als Adoptiv-, Stief- oder Pflegemütter oder als Partnerin einer Frau ihr Kind lieben und im Alltag die Verantwortung für es übernehmen. Es gibt Frauen*, die ihr Kind nicht selbst geboren haben und es dennoch mütterlich umsorgen. Es gibt Frauen, die gar keine Kinder haben, aber dennoch täglich im Alltag für andere sorgen. Meine ich sie alle, wenn ich von Müttern und Menschen mit Fürsorgeverantwortung spreche? Meine klare Antwort: JA!

Denn mein Alltag in einer Kleinstadt seit rund drei Jahren zeigt mir: Nicht die Definition von Frausein oder Muttersein ist das Problem. Das Problem ist, dass es – außerhalb einer kleinen feministischen Bubble – fast ausschließlich Frauen (oder „weiblich gelesene Menschen“) sind, die den Löwinnenanteil der Carearbeit leisten: als Mütter, Großmütter oder eben soziale Mütter. In der Nachbarschaft, beim Kindergartenbazar und in der Grundschule. Vor, während und zusätzlich zu ihrer Erwerbsarbeit. Es sind Frauen und Mütter, die das Leben ihrer Angehörigen organisieren, die da sind, wenn ihr Kind fiebert, die den Teenager nachts von der Party abholen, die als Großmütter ihre Töchter und Schwiegertöchter unterstützen, wenn die Betreuung in Kita und Schule wieder mal ausfällt. Die als Töchter und Schwiegertöchter ihre alten Angehörigen pflegen. Es sind Frauen und Mütter, die auch im Fall einer Trennung weit überwiegend im Alltag für ihre Kinder sorgen und deren Kinder viel zu oft nicht den Unterhalt erhalten, der ihnen zusteht. Es sind Frauen und Mütter, die nach Jahren der Fürsorge für ihre Angehörigen am Ende ihres Lebens oft allein da stehen und wenn es dumm läuft, auch noch einsam und verarmt.

Und dabei spielt es tatsächlich kaum eine Rolle, ob ich von biologischen Müttern spreche oder von Müttern, die ihr Kind als soziale Mutter begleiten und erziehen.

Das Problem ist nämlich die Annahme, dass Fürsorge etwas Selbstverständliches ist, das einfach so und unter allen Umständen geleistet werden kann. Das Mädchen und Frauen quasi im Blut haben und das damit ganz automatisch von ihnen gefordert werden kann – weit mehr als von Jungen und Männern. Das Problem ist, dass Menschen qua Geschlecht in Rollen gepresst werden und das oft auch gar nicht hinterfragen. Und dass Debatten um Sex und Gender dabei weit weg sind. Weil es um ganz anderes geht – nämlich um die alltägliche und kaum hinterfragte Abwertung und Bagatellisierung von Carearbeit.

Daran muss ich bei manch erhitzter Diskussion denken rund um die Frage „Was ist überhaupt eine Frau und Mutter?“, die vor allem in städtischen und akademischen Kreisen geführt wird.

Im „ganz normalen“ Leben brauchen Frauen und Mütter finanzielle Absicherung und Schutz vor Gewalt, eine Gesundheitsversorgung, zu der sie unabhängig von Herkunft und sozialem Status Zugang haben. Frauen und Mütter brauchen politisches Mitspracherecht und gerecht verteilte Verantwortung innerhalb von Familien.

Für all das setze ich mich in meiner Arbeit als Journalistin und Autorin und als Mit-Initiatorin der bundesweiten Kampagne #Hunderttausendmütter ein. Für eine Gesellschaft, die Fürsorge ins Zentrum stellt – und die Menschen, die sie täglich leisten. Mein Fazit: Wir sollten nicht darüber streiten, wer Mütter sind, sondern fragen, was sie brauchen – und wie wir das, was sie in all ihrer Vielfalt brauchen, auch erreichen!

Herzliche Ostergrüße, Sarah Zöllner

Die Autorin ist freie Journalistin, Autorin für Familien- und Gesellschaftsthemen sowie Mutter eines Kindergarten- und eines Grundschulkindes.

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